2016 war der Wendepunkt. «Point of no return» ist schon erreicht, die Welt wird nie
wieder so sein wie zuvor. 2017 bereitet weitere Veränderungen vor: Trumps Präsidentschaft,
Brexit, Wahlen in drei wichtigsten europäischen Ländern, Kampf gegen Terroristen. In diesem
Zusammenhang spricht man heutzutage immer häufiger in den Medien, dass wir Zeitzeugen
eines fundamentalen Paradigmenwechsels sind. Gerade wird neue Weltordnung, neues
Weltsystem herausgebildet. Welche Staaten nehmen die führenden Positionen auf der
modifizierten Weltbühne ein und mit welchen globalen Problemen werden sie konfrontiert?
Sowohl die deutschen, als auch die russischen Medien schreiben über neue Weltordnung als ein multipolares System. Aber jede Seite versteht «multipolar» in eigener Art. Für Deutschland bedeutet das, dass es im Rahmen des Systems viele Akteure existieren, die gleich behandelt werden müssen und die Meinung von jedem muss berücksichtigt werden. Es soll eine Welt entstehen wie die Gemeinschaft gleichberechtigter Partner. Das Verhalten von Russland, Großbritannien und die USA unter der neuen Regierung wird kritisiert, weil sie sich über andere erheben, sich nicht an die gemeinsame Regeln halten und durch die Einnahme der Sonderposition sich verstärken.
Für Russland bedeutet «multipolar» die Existenz der mehreren «Pole» und in jedem gibt
es ein Hegemon, dessen Einfluss unbestritten und unangreifbar sein soll. Es ist an der Zeit, da es
zur Entstehung neuer Machtzentren gekommen ist, zwischen denen beziehungsweise zwischen
regionalen Hegemonen Russland die Kräftebilanz wiederherstellen will. In Deutschland wäre
solche Vorstellung überhaupt nicht möglich, denn die EU als einer der «Pole» basiert auf dem
Prinzip «Balance of Power» zwischen den Mitgliedstaaten, weshalb darf ein einziger Staat da
nicht mächtiger werden als die anderen.
Wenn man von den russischen Medien spricht, muss man allerdings noch erwähnen, dass
es in der Berichterstattung sowie in der Gesellschaft bipolare Hinsicht herrscht. Die
Weltereignissen werden im Vergleich Russlands mit den anderen dargestellt. Solche
Gegenüberstellung lässt sich von einer bipolaren Weltvorstellung sprechen. Meistens beschreibt
man russische Position und sein Vorgehen im Vergleich mit den USA oder dem Westen
allgemein und reproduziert das binäre Weltbild von Gut und Böse, wo Russland immer auf der
guten Seite und der Westen auf der schlechten Seite stehen. In den russischen Medien entsteht
das positive Bild Russlands durch negative Darstellung des Westens.
Allerdings ist das schwarz-weiße Bild auch für deutsche Medien ausgeprägt.
Deutschlands Wohlstand basiert auf zwei internationalen Arangements: der globalen
Handlungsordnung und der EU. Deshalb sind die meisten Berichte über für Europa
ausschlaggebende Ereignisse, wie zum Beispiel die Wahlen und möglicher Einfluss Russlands,
Brexit, neue transatlantische Politik der USA und aggressive Außenpolitik der Türkei. Die
Berichte davon sind stark personifiziert: Putin, Erdogan und Trump sind Hauptfiguren der letzten
Monate, die immer mehr dämonisiert werden.
Der Albtraum Deutschlands ist, wenn die drei zusammen mit China eine neue
Weltordnung bestimmen werden, ohne die Meinung der EU und vor allem Deutschlands zu
berücksichtigen. Heutige Situation beschreiben die beiden Seiten als beispiellose tiefe SystemKrise,
wobei in den russischen Medien spricht man von der Krise nur der westlichen Zivilisation.
Moralische Autorität der EU auf der Weltbühne sinkt durch den immer schwächeren
Zusammenhalt ihrer Mitgliedstaaten, Europa ist zerstritten. Die politischen Ereignisse werden
von den Journalisten sehr ausführlich mitgeteilt, aber auch in schwarz-weißen Farben. Wenn
etwas nicht nach dem deutschen Szenario geht (zum Beispiel Trump’s Sieg oder der Aufstieg der
populistischen und nationalistischen Parteien in Europa), kann man (oder will nicht) daran
glauben, dass es heutige Tendenz in der Gesellschaft ist und dass es dadurch die Meinung der
Völker ausgedrückt wird. Die deutschen Medien suchen ständig nach einer anderen Erklärung
und finden sie in der Beschuldigung Russlands, russischen Hacker und Putin persönlich. Obwohl
es immer noch keine Beweise dafür gibt, ziehen die Medien voreilige Schlüsse.
In russischen Medien werden diese Vorwürfe für grundlos gehalten, es wird aber oft
ironisiert, dass russischer Einfluss ohne Mühe von der russischen Seite zum Schlüsselfaktor auf
dem Feld der internationalen Politik wurde. Die europäische Krise wird als Chance für Russland
dargestellt, führende Rolle in der Weltpolitik zu spielen. Die Angst vor Veränderungen hat
Russland, laut Medien, auch nicht, weil es bereit ist, sogar allein die Probleme zu lösen. Es wird
auch den USA vorgeworfen, dass wenn sie nicht gestört hätten, wäre der Krieg in Syrien mithilfe
Russlands schon lange beendet. Außerdem werden politische Erfolge Russlands besonders in
Diplomatie und Militär betont, aber wieder im Kontrast zum amerikanischen Misserfolg. Wegen
seiner Stärke ist Russland einer der wichtigsten Akteure und trägt Verantwortung für heutige
Weltordnung. Dieser Gedanke zieht sich wie ein roter Faden fast durch jeden Artikel.
In deutschen Berichten fühlt man umgekehrt echte Besorgnis über das Weltgeschehen,
aber gleichzeitig Angst vor unkontrollierbaren Veränderungen. Das Ziel der EU, für die
Deutschland die größte Verantwortung trägt, liegt darin, auch in der Zukunft ein lebensfähiges
Projekt zu bleiben und so an den Regeln der neuen Ordnung mitschreiben zu können. Die EU
muss stärker mit den Regionalmächten zusammenarbeiten, um politische Prozesse zu fördern,
die zur Verringerung von Gewalt und zur Bewältigung heutiger Krisen beitragen. In dieser Frage
sind die russischen und die deutschen Medien einig: die tiefste Krise kann man nur zusammen
überwinden.
In letzten Jahren wird die Richtigkeit und Leistungsfähigkeit des Yalta-Potsdamer
System und der UNO als Kernelement dieses Systems diskutiert. Die Reformierung der UNO ist
heutzutage eine der wichtigsten Fragen in den internationalen Beziehungen, besonders
angesichts der letzten Ereignisse und andauernder Kriege in verschiedenen Weltteilen. Aber
dieses Thema kommt sehr selten in den Medien vor, sowohl in russischen, als auch in deutschen,
denn zurzeit ist es unauflösbar. Die beiden Seiten verstehen, dass die UNO in heutiger Form
leistungsunfähig ist, insbesondere bei Themen wie Terrorismus und Menschenrechte, allerdings
wurde ein von allen Staaten akzeptabler Kompromiss noch nicht gefunden. Die deutschen
Medien schreiben über das Deutschlands Streben nach einem ständigen Sitz im Sicherheitsrat.
Die Erweiterung des Sicherheitsrates könnte bessere, faire Repräsentanz der Mitgliedstaaten
sichern und dadurch seine Leistungen erhöhen. In den russischen Medien herrscht eine andere
Meinung. Da wird offizielle Position der russischen Regierung widerspiegelt, dass Russland sich
gegen jede Diskussion über Vetorecht ausspricht. Permanenter Sitz im Sicherheitsrat wird als
eine politische Ressource Russlands und ein Merkmal seiner Ausnahmeposition in der Welt
dargestellt. Es wird aber betont, dass Russland bereit ist, vernünftige und realistische Vorschläge
über Reformierung der Vereinten Nationen zu unterstützen, aber die Erweiterung des
Sicherheitsrates ist ausgeschlossen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass sowohl die deutschen, als auch die russischen
Medien die Information im Ganzen ziemlich objektiv darstellen. Das Wort «ziemlich» bedeutet
hier aber nicht, dass jemand mit Absicht lügt, sondern dass niemand über unbezweifelbare
Wahrheit verfügt, sie existiert einfach nicht. Während der Analyse haben wir auf die Fakten
geachtet, ob sie in den verschiedenen Medien richtig wiedergegeben werden oder nicht, und ihre
Interpretation konnten wir dann schon vergleichen. Wie gesagt, «Fakten sind heilig, die Meinung
ist frei». In den zu diesem Thema analysierten Artikeln aus den russischen Medien wurde keine
Fälschung entdeckt, während es in den deutschen Medien so ein auffallendes Beispiel gab. Und
zwar hat FAZ die Aussage von Sigmar Gabriel (auf der Pressekonferenz mit Sergej Lawrow)
über Hacker-Angriffe falsch vermittelt, dadurch hat sich der Sinn komplett geändert. In den
russischen Medien werden solche Fehler dadurch vermieden, dass sie direkte Aussagen von
Politiker hinzufügen. Selbstverständlich können die Politiker lügen und machen das auch häufig,
aber in diesem Fall kann man nicht die Zeitung oder einen Journalisten wegen der Verfälschung
anklagen.
Allerdings wenn es um die UNO als eine politische Institution geht, muss man wohl beachten, dass die UNO weniger wichtig fuer die deutsche Aussenpolitik ist. Deshalb muss man alle UNO-Fragen als locale fuer Deutschland (klingt erst einmal komisch?) bewerten.
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