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Montag, 20. März 2017

Konflikt in der Ukraine


Die Berichterstattung über die Ukraine-Krise ist schon lange ein Diskussionsthema. Die beiden Seiten werfen einander einseitige Reportagen und staatliche Propaganda vor. Wo liegt die Wahrheit, weiß niemand. Für die Analyse haben wir Artikel im Zeitraum von 17.02 bis 17.03.17 gewählt. Zuallererst war der Unterschied in der Anzahl von Berichten zu diesem Thema auffallend. Nach Stichwort «Ukraine» gab es im letzten Monat 52 Suchergebnisse in der FAZ, 62 – in der Zeit, 615 – in Kommersant und 21 pro Tag (17.03) – auf der russischer Internetseite VZ.ru. In letzter Zeit ist dieses Thema in deutschen Medien in den Hintergrund getreten, denn der Krieg ist schon permanent geworden. Solange die Situation sich wieder nicht verschärft, gibt es keine beachtenswerten Artikel. «Die EU ist im Wahljahr 2017 so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass es sich dem Kreml in der Ukraine neue Chancen eröffnen» (FAZ). In den russischen Medien bleibt die Ukraine ein der wichtigsten Themen.

Der weitere wichtige Unterschied besteht darin, dass die deutschen Medien eher von dem Vorgehen Russlands bzw. von der Putins Politik in der Ukraine berichten. Spätestens seit die Krim zum Teil der Russischen Föderation geworden ist, geht es im Ukraine-Konflikt vor allem um Russland. Es wird die Unterstützung der Separatisten kritisiert. Schuld daran, dass es kein Frieden in Sicht in der Ostukraine ist, hat russische Regierung und vor allem Präsident Putin selbst. Je weiter sich die Krise ausweitet, desto mehr erfolgt zudem eine Personalisierung in der Berichterstattung. In vielen Berichten wird Putin als brutal und skrupellos dargestellt. Er ist Aggressor, der wieder zur Kriegsrhetorik 2014 zurückkehrt. Er wird als «ein hemdloses Machos dargestellt, der aus reiner Bösartigkeit und Größenwahn nichts lieber tue, als in fremde Länder einzumarschieren und das eigene Volk zu unterdrücken» (SZ).

Nach der deutschen Ansicht findet gerade der Krieg zwischen der Ukraine und Russland statt. Die russischen Medien widerspiegeln aber offizielle Position der Regierung: Russland sieht sich in dem Krieg nicht als Konfliktpartei und befindet sich nicht im Kriegszustand mit der Ukraine. Allerdings gehört diese Region zum Interessenbereich Russlands, deshalb kann russische Regierung abwarten, aber auf keinem Fall kampflos aufgeben. Von den deutschen Medien wird russische Politik als Anlass zum Aufstand auf dem Maidan eingeschätzt. Den «vor russischem Druck kapitulierte» Präsident Janukowitsch bezeichnet man als einen «politisch gebrochenen Mann», der unsicher und von sich selbst nicht überzeugt ist. In den russischen Medien wird Janukowitsch sehr selten und neutral erwähnt. 

Laut den russischen Medien ist der heutige Präsident Petro Poroschenko schwach und verwirrt. Die deutschen Medien stellen ihn ähnlich dar, aber wählen nicht so scharfe Wörter dafür aus. Seine Politik ist ungeschickt, Der Spiegel nennt «große Projekte» der ukrainischen Regierung «grandios gescheitert», obwohl der Präsident alles Mögliche tut, um sein Land vom völkerrechtswidrigen Vorgehen Russlands zu schützen. Bei der Berichterstattung berufen die beiden Seiten auf Gefühle des Lesers oder des Zuschauers. Die Donbass-Blockade wird in den russischen Medien als PR-Instrument von Poroschenko dargestellt. Seine Taten werden als Verbrechen gegen eigenes Volk eingeschätzt. Die ukrainische Regierung hat sich auf die Menschen im Donbass verzichtet und im Stich gelassen. Die Menschen sind da sich selbst überlassen. Die Medien zeigen, wie sich die Lage des Landes in letzten Jahren verschlechtert hat, besonders wie schlecht der Volkswohlstand geworden ist. Es wird immer wieder betont, dass die Ukraine kein autarker Staat, weder politisch und wirtschaftlich, noch kulturell. Seit dem Anfang der Ukraine-Krise verkommt die ukrainische Wirtschaft, die Bevölkerungseinnahmen sinken ständig. Allerdings wird die russische Politik in diesem Kontext wieder implizit mit dem amerikanischen Vorgehen in Vietnam und Jugoslawien verglichen. Russland – im Gegensatz zu den USA – bemüht sich darum nicht, «Demokratie und Freiheit» der ganzen Welt zu bringen. Umgekehrt, während ukrainische Regierung ihre soziale Verpflichtung nicht erfüllt, macht das Russland. Ukrainische Regierung braucht nur das von «Bolschewiken geschenkte Territorium», aber nicht seine Bevölkerung.

Die deutsche Berichterstattung besteht zum größten Teil – wenn es nicht um Putin geht – aus Interviews mit Menschen aus den Kriegsgebieten. Die Medien appellieren an Mitleidsgefühl des Zuschauers, es werden schreckliche Bilder aus der Kampfzone gezeigt. Die Zeugenerklärungen werden für lautere Wahrheit angenommen, weil ein Zeuge das selbst gesehen oder erlebt hat. Tatsächlich ist es nicht immer so, man darf die Zeugenerklärungen nicht überschätzen. Obwohl sie sehr oft und sehr gerne von allen Medien benutzt werden, sind sie äußerst unzuverlässig. Das zweite Problem besteht darin, dass die Berichterstattung sehr einseitig sein kann. Es herrscht ein furchtbarer Krieg, wo es keine Gewinner geben kann. Die Menschen leiden darunter auf beiden Seiten der Front. Die meisten Berichte sind aber nur von der ukrainischen Seite, bzw. von dem unter Regierungskontrolle befindlichen Territorium. Es gibt ein wichtiger objektiver Grund dafür – zurzeit ist es nicht immer einfach für Journalisten, die Grenze zwischen Regierungs- und Separatistengebieten zu überschreiten. Laut den deutschen Medien sind Separatistengebiete – «Reich der Willkür», während die Gesetze im anderen Teil der Ukraine einigermaßen funktionieren.

Sowohl deutsche, als auch russischen Medien sind in einem einig: um den Konflikt zu lösen, müssen die beiden Konfliktparteien in näheren Konnex kommen. Nur auf Hilfe aus Berlin oder Waschington zu hoffen, das ist keine Diplomatie. Poroschenkos Führung muss die Menschen in der Ostukraine umwerben, um sie in irgendeiner Form zurückzuholen. Laut den deutschen Medien ist die Wiedervereinigung der Ukraine gut möglich. Aber «solange dort Wladimir Putin das Sagen hat, ist das wohl so wahrscheinlich wie eine Hinwendung Donald Trumps zu ehrlicher Bescheidenheit» (FAZ). Laut den russischen Medien ist die Wiedervereinigung eher unwahrscheinlich, solange Poroschenko seine Politik stur fortsetzt. Die Eingliederung der DNR und LNR in die Russische Föderation ist aber auf jeden Fall unerwünscht. 

Was der Frage «Wem gehört die Krim» angeht, ist die Situation immer noch kompliziert. Für russische Regierung und fürs russische Volk ist die Frage schon lange geschlossen. Das war die Entscheidung der Krim-Bevölkerung und punkt. Deutschland anerkennt die Krim-Annexion offiziell nicht, aber in letzter Zeit scheint es laut den deutschen Medien so sein, als ob der Westen sich langsam darin hineinfindet, dass die Krim Russland gehört und weitere Diskussion sinnlos ist. Zwar werden die Sanktionen immer wieder verlängert, aber die Frage der Krim taucht in den Medien deutlich seltener auf.  

2 Kommentare:

  1. Sehr richtig, dass die Berichterstattung in Deutschland über den Ukraine-Konflikt trotz anhaltender Kriegsführung nahezu gänzlich aus den hauptsächlichen Nachrichten verschwunden ist. Die Situation scheint festgefahren, die Konfliktparteien halten große Teile der Minsker Friedensabkommen nicht ein und die wahre Rolle Russlands bleibt bereits seit Jahren unklar. Die Forderung, Poroschenko solle das Volk im Osten der Ukraine wieder versuchen zu umwerben, wirkt nahezu unrealisierbar, da die Meinungen beider Seiten zu entscheidenden Fragen der zukünftigen Richtung des Landes zu weit auseinander liegen. Wie der Artikel verdeutlicht, werden beide Konfliktparteien noch einen großen Schritt aufeinander zugehen müssen und getroffene Abkommen einhalten müssen, um Frieden in der Ukraine zu schaffen und das Land wieder zu einen. Provokationen aller Beteiligten, wie sie im Moment täglich wahrzunehmen sind, werden den Konflikt nicht lösen können.

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  2. Natuerlich unterscheiden sich die deutschen und russischen Medien, wenn die Rede von Ukraine ist. Danke fuer einen interessanten Artikel!

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