Die Berichterstattung über die Ukraine-Krise ist schon lange ein Diskussionsthema. Die
beiden Seiten werfen einander einseitige Reportagen und staatliche Propaganda vor. Wo liegt die
Wahrheit, weiß niemand. Für die Analyse haben wir Artikel im Zeitraum von 17.02 bis 17.03.17
gewählt. Zuallererst war der Unterschied in der Anzahl von Berichten zu diesem Thema
auffallend. Nach Stichwort «Ukraine» gab es im letzten Monat 52 Suchergebnisse in der FAZ,
62 – in der Zeit, 615 – in Kommersant und 21 pro Tag (17.03) – auf der russischer Internetseite
VZ.ru. In letzter Zeit ist dieses Thema in deutschen Medien in den Hintergrund getreten, denn
der Krieg ist schon permanent geworden. Solange die Situation sich wieder nicht verschärft, gibt
es keine beachtenswerten Artikel. «Die EU ist im Wahljahr 2017 so sehr mit sich selbst
beschäftigt, dass es sich dem Kreml in der Ukraine neue Chancen eröffnen» (FAZ). In den
russischen Medien bleibt die Ukraine ein der wichtigsten Themen.
Der weitere wichtige Unterschied besteht darin, dass die deutschen Medien eher von dem Vorgehen Russlands bzw. von der Putins Politik in der Ukraine berichten. Spätestens seit die Krim zum Teil der Russischen Föderation geworden ist, geht es im Ukraine-Konflikt vor allem um Russland. Es wird die Unterstützung der Separatisten kritisiert. Schuld daran, dass es kein Frieden in Sicht in der Ostukraine ist, hat russische Regierung und vor allem Präsident Putin selbst. Je weiter sich die Krise ausweitet, desto mehr erfolgt zudem eine Personalisierung in der Berichterstattung. In vielen Berichten wird Putin als brutal und skrupellos dargestellt. Er ist Aggressor, der wieder zur Kriegsrhetorik 2014 zurückkehrt. Er wird als «ein hemdloses Machos dargestellt, der aus reiner Bösartigkeit und Größenwahn nichts lieber tue, als in fremde Länder einzumarschieren und das eigene Volk zu unterdrücken» (SZ).
Nach der deutschen Ansicht findet gerade der Krieg zwischen der Ukraine und Russland
statt. Die russischen Medien widerspiegeln aber offizielle Position der Regierung: Russland sieht
sich in dem Krieg nicht als Konfliktpartei und befindet sich nicht im Kriegszustand mit der
Ukraine. Allerdings gehört diese Region zum Interessenbereich Russlands, deshalb kann
russische Regierung abwarten, aber auf keinem Fall kampflos aufgeben. Von den deutschen
Medien wird russische Politik als Anlass zum Aufstand auf dem Maidan eingeschätzt. Den «vor
russischem Druck kapitulierte» Präsident Janukowitsch bezeichnet man als einen «politisch
gebrochenen Mann», der unsicher und von sich selbst nicht überzeugt ist. In den russischen
Medien wird Janukowitsch sehr selten und neutral erwähnt.
Laut den russischen Medien ist der heutige Präsident Petro Poroschenko schwach und
verwirrt. Die deutschen Medien stellen ihn ähnlich dar, aber wählen nicht so scharfe Wörter
dafür aus. Seine Politik ist ungeschickt, Der Spiegel nennt «große Projekte» der ukrainischen
Regierung «grandios gescheitert», obwohl der Präsident alles Mögliche tut, um sein Land vom
völkerrechtswidrigen Vorgehen Russlands zu schützen. Bei der Berichterstattung berufen die
beiden Seiten auf Gefühle des Lesers oder des Zuschauers. Die Donbass-Blockade wird in den
russischen Medien als PR-Instrument von Poroschenko dargestellt. Seine Taten werden als
Verbrechen gegen eigenes Volk eingeschätzt. Die ukrainische Regierung hat sich auf die
Menschen im Donbass verzichtet und im Stich gelassen. Die Menschen sind da sich selbst
überlassen. Die Medien zeigen, wie sich die Lage des Landes in letzten Jahren verschlechtert hat,
besonders wie schlecht der Volkswohlstand geworden ist. Es wird immer wieder betont, dass die
Ukraine kein autarker Staat, weder politisch und wirtschaftlich, noch kulturell. Seit dem Anfang
der Ukraine-Krise verkommt die ukrainische Wirtschaft, die Bevölkerungseinnahmen sinken
ständig. Allerdings wird die russische Politik in diesem Kontext wieder implizit mit dem
amerikanischen Vorgehen in Vietnam und Jugoslawien verglichen. Russland – im Gegensatz zu
den USA – bemüht sich darum nicht, «Demokratie und Freiheit» der ganzen Welt zu bringen.
Umgekehrt, während ukrainische Regierung ihre soziale Verpflichtung nicht erfüllt, macht das
Russland. Ukrainische Regierung braucht nur das von «Bolschewiken geschenkte Territorium»,
aber nicht seine Bevölkerung.
Die deutsche Berichterstattung besteht zum größten Teil – wenn es nicht um Putin geht –
aus Interviews mit Menschen aus den Kriegsgebieten. Die Medien appellieren an Mitleidsgefühl
des Zuschauers, es werden schreckliche Bilder aus der Kampfzone gezeigt. Die
Zeugenerklärungen werden für lautere Wahrheit angenommen, weil ein Zeuge das selbst
gesehen oder erlebt hat. Tatsächlich ist es nicht immer so, man darf die Zeugenerklärungen nicht
überschätzen. Obwohl sie sehr oft und sehr gerne von allen Medien benutzt werden, sind sie
äußerst unzuverlässig. Das zweite Problem besteht darin, dass die Berichterstattung sehr einseitig
sein kann. Es herrscht ein furchtbarer Krieg, wo es keine Gewinner geben kann. Die Menschen
leiden darunter auf beiden Seiten der Front. Die meisten Berichte sind aber nur von der
ukrainischen Seite, bzw. von dem unter Regierungskontrolle befindlichen Territorium. Es gibt
ein wichtiger objektiver Grund dafür – zurzeit ist es nicht immer einfach für Journalisten, die
Grenze zwischen Regierungs- und Separatistengebieten zu überschreiten. Laut den deutschen
Medien sind Separatistengebiete – «Reich der Willkür», während die Gesetze im anderen Teil
der Ukraine einigermaßen funktionieren.
Sowohl deutsche, als auch russischen Medien sind in einem einig: um den Konflikt zu
lösen, müssen die beiden Konfliktparteien in näheren Konnex kommen. Nur auf Hilfe aus Berlin
oder Waschington zu hoffen, das ist keine Diplomatie. Poroschenkos Führung muss die
Menschen in der Ostukraine umwerben, um sie in irgendeiner Form zurückzuholen. Laut den
deutschen Medien ist die Wiedervereinigung der Ukraine gut möglich. Aber «solange dort
Wladimir Putin das Sagen hat, ist das wohl so wahrscheinlich wie eine Hinwendung Donald
Trumps zu ehrlicher Bescheidenheit» (FAZ). Laut den russischen Medien ist die
Wiedervereinigung eher unwahrscheinlich, solange Poroschenko seine Politik stur fortsetzt. Die
Eingliederung der DNR und LNR in die Russische Föderation ist aber auf jeden Fall
unerwünscht.
Was der Frage «Wem gehört die Krim» angeht, ist die Situation immer noch kompliziert.
Für russische Regierung und fürs russische Volk ist die Frage schon lange geschlossen. Das war
die Entscheidung der Krim-Bevölkerung und punkt. Deutschland anerkennt die Krim-Annexion
offiziell nicht, aber in letzter Zeit scheint es laut den deutschen Medien so sein, als ob der
Westen sich langsam darin hineinfindet, dass die Krim Russland gehört und weitere Diskussion
sinnlos ist. Zwar werden die Sanktionen immer wieder verlängert, aber die Frage der Krim
taucht in den Medien deutlich seltener auf.
Sehr richtig, dass die Berichterstattung in Deutschland über den Ukraine-Konflikt trotz anhaltender Kriegsführung nahezu gänzlich aus den hauptsächlichen Nachrichten verschwunden ist. Die Situation scheint festgefahren, die Konfliktparteien halten große Teile der Minsker Friedensabkommen nicht ein und die wahre Rolle Russlands bleibt bereits seit Jahren unklar. Die Forderung, Poroschenko solle das Volk im Osten der Ukraine wieder versuchen zu umwerben, wirkt nahezu unrealisierbar, da die Meinungen beider Seiten zu entscheidenden Fragen der zukünftigen Richtung des Landes zu weit auseinander liegen. Wie der Artikel verdeutlicht, werden beide Konfliktparteien noch einen großen Schritt aufeinander zugehen müssen und getroffene Abkommen einhalten müssen, um Frieden in der Ukraine zu schaffen und das Land wieder zu einen. Provokationen aller Beteiligten, wie sie im Moment täglich wahrzunehmen sind, werden den Konflikt nicht lösen können.
AntwortenLöschenNatuerlich unterscheiden sich die deutschen und russischen Medien, wenn die Rede von Ukraine ist. Danke fuer einen interessanten Artikel!
AntwortenLöschen